Energieleitplan und Mobilitätskonzept für Kufstein und Umgebung

Nach über zwei Jahren Projektlaufzeit wurden am 05.07.2022 sowohl der Energieleitplan als auch das Mobilitätskonzept der Region Kufstein und Umgebung, Untere Schranne–Kaiserwinkl (KUUSK) im Rahmen eines Symposiums im Stadtsaal Kufstein präsentiert.

Nichts für die Schublade und beste Voraussetzungen

Zu diesem besonderen Anlass fand zunächst um 16 Uhr eine Pressekonferenz statt, bei der unter der Leitung von Katharina Spöck (Regionalmanagement KUUSK) der Kufsteiner Bürgermeister Martin Krumschnabel, der Obmann des LEADER-Vereins und Ebbser Bürgermeister Josef Ritzer sowie die Landtagsabgeordnete Barbara Schwaighofer zur aktuellen Lage, den Rahmenbedingungen der Projekte und den erhofften Outputs für die Energie-Raumplanung Stellung bezogen. Danach gingen Rupert Ebenbichler und Felix Thalheim auf die Methodik und die zentralen Ergebnisse des Energieleitplans ein, Johannes Seichter von Kufstein mobil erläuterte in Vertretung von Manuel Tschenet das Mobilitätskonzept. Anschließend stellten sich die Anwesenden den Fragen der Journalisten.

Bei einer Sache waren sich alle einig: Beide Konzepte sollen nicht als Berichte irgendwo in einer Schublade verschwinden, sondern aktiv verwendet, verfolgt und der Fortschritt evaluiert werden. Mit dem lokalen Knowhow, der Bereitschaft der Politik und dem Einsatz von Regionalmanagement, KEM und LEADER-Region sind die Voraussetzungen dafür bestens.

Krisen als Chance – Land, Regionen und Gemeinden aktiv bei der Energieraumplanung

Pünktlich 17 Uhr ging es dann hinüber in den Stadtsaal, in welchem sich bereits einige Gäste eingefunden hatten. Insgesamt etwa 50 Personen sollten an diesem Abend den Vorträgen lauschen und an den regen Diskussionen im Anschluss teilhaben. Während Katharina Spöck souverän und sympathisch durch das Programm führte, begrüßten Josef Ritzer und Melanie Steinbacher die Gäste und sprachen kurz über den Hintergrund und Zweck der Veranstaltung sowie den Ablauf des Abends. Die Landtagsabgeordnete Barbara Schwaighofer ging anschließend auf die Rahmenbedingungen der Projekte aus politischer Sicht ein, unterstrich die Bedeutsamkeit einer solchen Pilotuntersuchung für die Region und über diese hinaus und lobte den spürbaren Niedergang des Kirchturmdenkens. Der Zeitpunkt für den Abschluss und die Präsentation hätte angesichts der Aktualität und tragischen Brisanz der Energiethemen passender nicht sein können.

Im Spannungsfeld von Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg

Das Projekt E-Region KUUSK war noch kurz vor dem ersten Lockdown im März 2020 beauftragt und gestartet worden, die Bearbeitung in Zusammenarbeit mit den zwölf Gemeinden war dementsprechend stark von den Auswirkungen der Pandemie geprägt, was die Zusammenarbeit aber eher intensivierte. Schließlich musste aber auch die Abschlussveranstaltung mehrfach von November 2021 auf das heutige Datum verschoben werden. Da hätte freilich noch niemand wissen können, welchen zusätzlichen Push das Thema der Energieautonomie in der ersten Hälfte des Jahres 2022 erfahren sollte.

Energieleitplan E-Region KUUSK im nationalen wie internationalen Kontext

Im Bewusstsein dieser besonderen Tragweite des Projekts begannen Rupert Ebenbichler und Felix Thalheim von der Wasser Tirol die auszugsweise Präsentation der Ergebnisse. Dabei positionierte Herr Ebenbichler das Projekt zunächst im Rahmenwerk der europäischen und österreichischen energiepolitischen Zielsetzungen, deren Tiroler Pendant „Tirol 2050 energieautonom“ ist. Das Energie-Ziel-Szenario Tirol 2050 fordert eine Reduktion des Endenergiebedarfes aller Sektoren von 37 % bei gleichzeitigem Ausbau Erneuerbarer Energieträger um 72 %. Wo aber sollten die dafür notwendigen Maßnahmen umgesetzt werden, wenn nicht in den Tiroler Gemeinden? Die etwa 2 Milliarden Euro, die in Tirol jährlich für Öl und Gas ausgegeben werden, sollen in regionale Wertschöpfung umgesetzt werden und dabei helfen, ebenjene Transformation des Energiesystems attraktiv und wirtschaftlich zu machen.

Die Gemeinden als Ereignisorte jeglicher energiepolitischen Maßnahmen

Nach der Erhebung der Grundlagendaten zu Wärme- und Strombedarf, Bedarfsdeckung sowie vorhandenen Ressourcen in den Gemeinden wurden diese plausibilisiert und zusammen mit den Gemeinden verdichtet, wobei besonderer Wert auf die gebäudescharfe Ausweisung von Energieträgern im Wärmebereich gelegt wurde. In einem nächsten Schritt wurden je Gemeinde etwa 20-50 Einzelmaßnahmen festgelegt und in weiterer Folge mit den GemeindevertreterInnen diskutiert. Dabei war von Wärmenetzausbau, -machbarkeitsuntersuchungen, Mikronetzen, Grundwassernutzungsplänen und Wasserkraftanlagen über Photovoltaik auf Dächern sowie Freiflächen, Energieversorgungsplänen und Energiemonitoring bis hin zu Bewusstseinsbildung ein facettenreicher Maßnahmen-Mix vorhanden.

Maßnahmenpakete und Wärmeversorgungs-Zonenplan

Zwecks Übersichtlichkeit wurden diese Einzelmaßnahmen in etwa zehn priorisierte Maßnahmenpakete je Gemeinde untergliedert. Diese stellen zusammen mit einem Zonenplan zur Wärmeversorgung einschließlich zu bevorzugender Ressourcen das Kernstück des Energieleitplans dar. Das wichtigste Fazit: Die meisten Gemeinden verfügen über genug Ressourcen, um den Wärme- und Strombedarf zumindest der Haushalte im Jahressaldo decken zu können. Und: Es ist bereits jede Menge Knowhow bei zentralen Technologien vorhanden und das positive Verständnis für die Notwendigkeit von Maßnahmen ist präsent und wächst.

Bei der Stromerzeugung kommt der Photovoltaik auf geeigneten Dachflächen und auch Freiflächen eine besondere Bedeutung zu, unterstützt durch Kleinwasserkraft-Anlagen und deren Revitalisierung. Hinsichtlich Wärmeerzeugung gilt es, vor allem das Holzpotenzial optimal zu nutzen, insbesondere in den Überschuss-Gemeinden. Bestehende Wärmenetze sollten nach Möglichkeit verdichtet und ausgebaut werden. Acht Gemeinden verfügen über ergiebige Grundwasservorkommen, in zwei weiteren Gemeinden ist die Ausdehnung der Grundwasserkörper nicht ausreichend bekannt. Grundwasser kommt bei der Nutzung mittels Wärmepumpen für kleine Netzlösungen zum Heizen und Kühlen eine zentrale Bedeutung zu, solche Lösungen gibt es z.B. bereits in Erl. Hierzu bedarf es aber der nötigen Grundlageninformationen zu Ressourcen und Bedarfsdeckung. Die Ausgangssituation für Erdwärmesonden und Luftwärmepumpen ist in den meisten Gebieten optimal.

Fortschritt durch Diskurs

Wichtig sei vor allem der gegenseitige Austausch, das kritische Feedback der Gemeinden sowie deren aktive Mitarbeit gewesen, berichten Ebenbichler und Thalheim abschließend. Im Vergleich zu früheren Projekten habe man einen klaren Fortschritt erkennen können, was die Akzeptanz bzw. gar das Erkennen der Notwendigkeit solcher energiepolitischen Maßnahmen angeht. Die Begleitung des Projekts durch einen regionalen Kümmerer und die parallele Umsetzung von einigen Maßnahmen habe sich als essenziell für das Gelingen erwiesen. Wenn ein Regionalmanagement, eine KEM und LEADER-Region und sogar Stadtwerke dahinterstehen und alles begleiten, erhöhe sich die Umsetzungsquote maßgeblich.

Der aktive Austausch mit allen Beteiligten – auch in Form einer Gemeindeversammlung in Walchsee – wurde mehrfach als ganz essenziell ausgewiesen, aber natürlich auch die Erstellung einer Datengrundlage, auf der aufgebaut werden kann. Man sei froh, den Gemeinden sowohl mit einem allgemeinen als auch einem gemeindespezifischen Berichtsteil sowie Kartenmaterial in analoger wie digitaler Form eine Handlungsgrundlage geschaffen zu haben und zur Verfügung stellen zu können.

Podiumsdiskussion als Ideenaustausch

Im Anschluss an diesen Vortrag fanden sich alle Vortragenden des ersten Teils auf der Bühne ein, um Fragen aus dem Publikum zu beantworten. Hierbei kam es zu einigen guten Einwänden und Ideen – wie z.B. der Verpflichtung der Gemeinden zu gewissen Zielerreichungen –, welche die Früchte eines offenen Diskurses unterstreichen konnten. Danach ging es in eine wohlverdiente Pause, in der es bei Erfrischungsgetränken so angeregte Diskussionen gab, dass sich die TeilnehmerInnen nur langsam wieder zum zweiten Teil einfanden.

Wege zur Mobilität der Zukunft

Nach der Pause wurde das Mobilitätskonzept KUUSK vorgestellt, welches parallel zum Energieleitplan durch die Verkehrsplanungsbüros komobile und con.sens unter Mitwirkung des Mobilitätsbeauftragten Manuel Tschenet erarbeitet wurde. Das geschah in einem umfangreichen Prozess mit breiter Bevölkerungsbeteiligung in mehreren Workshops sowie mit einer Befragung mit über 1.800 Teilnehmenden. Auch die 12 Gemeinden, Tourismusverbände, das Land sowie weitere Stakeholder waren in den Planungsprozess eingebunden, es wurde erstmals eine gemeindeübergreifende Perspektive eingenommen.

Der Fokus des Konzepts liegt im Ausbau der Alternativen zum privaten PKW, um zum einen die schädlichen Emissionen zu senken, zum anderen die Gemeinden noch lebenswerter zu machen. Maßgabe dafür sind die Ziele des Tiroler Mobilitätsprogramms, der österreichische Mobilitätsmasterplan 2030 sowie die Pariser Klimaziele.

Das Konzept besteht aus einer langfristigen Vision, die eine weit vorausschauende Perspektive einnimmt und als Richtschnur für die zukünftige Entwicklung dienen soll. Daneben werden 24 Leitprojekte vorgeschlagen, die Modellcharakter haben und großteils mittel- bis längerfristig umgesetzt werden können. Den Schwerpunkt bildet der Maßnahmenkatalog mit einer Vielzahl an Einzelprojekten, der sowohl gemeindespezifische als auch -übergreifende, kurz- und mittelfristige sowie kostengünstige als auch teurere Vorhaben beinhaltet. Das Konzept einschließlich gemeindeweiser Maßnahmenlisten ist bereits zum Download verfügbar (www.rm-kuusk.at/mobkonzept).

Bestehendes Knowhow breit verfügbar machen

Wir müssen, nein dürfen das Rad nicht ständig neu erfinden, wenn wir die gesetzten Energie- und Klimaziele erreichen wollen. Neben Transparenz und einer gewissen Kontinuität des Handelns ist dabei wichtig, das bestehende Wissen um Best-Practice-Beispiele in der Region zusammenzutragen, aufzubereiten und den anderen Gemeinden verfügbar zu machen. In diesem Zeichen stand der letzte Teil des Abends, bei dem zunächst acht ausgewählte Beispiele für zukunftsweisende Projekte in jeweils wenigen Minuten vorgestellt wurden. Nach den Kurzpräsentationen stellten sich die Vortragenden an acht Infotischen im Saal und dem Empfangsraum auf, wo sie teils mit Anschauungsmaterial aufwarteten und in den folgenden gut 20 Minuten für Interessierte zu Gesprächen zur Verfügung standen. Hierbei entspannen sich zahlreiche angeregte und aufschlussreiche Diskussion, sodass es noch schwerer fiel, dem kurzen Abschluss auf der Bühne folgen zu können.

Die vorgestellten Best-Practice-Beispiele waren:

  • Sonnendorf Schwoich – Leistbares Wohneigentum mit Erdwärmesonden und Photovoltaik
  • Biogasanlage Kaiserwinkl – Strom und Wärme aus Abfall und Gülle
  • Biomasse-Mikronetz Thiersee – Ein Netz für die Gemeindegebäude
  • Biowärme Ebbs – Ein Glücksfall für die Wärmeversorgung in der Gemeinde Ebbs
  • Grundwasserwärmesiedlung Erl – Acht Neubauten beziehen seit 10 Jahren über eigene Pumpen Wasser aus einem zentralen Brunnen
  • Grundwasserwärmesiedlung Stans – Grundwasser-Wärmenetz mit zentraler Entnahme und Wärmepumpe für ein Mehrparteienhaus und sechs Einfamilienhäuser 
  • StromvomDach Erl – Lokaler Antreiber von innovativen Lösungen und PV-Ausbau
  • EEG Kremsmünster – Die erste tatsächlich abrechnende EEG in Oberösterreich

Johannes Seichter (Kufstein Mobil), Katharina Spöck (KEM-Managerin), Bgm. Martin, Krumschnabel (Kufstein), LA Barbara Schwaighofer, Bgm. Josef Ritzer (Ebbs), Rupert Ebenbichler (GF Wasser Tirol) und Felix Thalheim (Projektleiter, Wasser Tirol) ©Polina Abramova

Veranstaltungsort: Stadtsaal Kufstein im Andreas-Hofer-Hotel ©Polina Abramova

Besucher-Ankunft im grünen Foyer ©Polina Abramova

Begrüßung durch Katharina Spöck und den Ebbser Bgm. Josef Ritzer ©Polina Abramova

Vorstellung des Energieleitplans durch Rupert Ebenbichler und Felix Thalheim - Methodischer Systemansatz ©Polina Abramova

Zusammenfassung Energieleitplan - Sind die Gemeinden gerüstet?

Zusammenfassung Energieleitplan - Konkrete Outputs

Diskussion des Energieleitplans als Abschluss des ersten Veranstaltungsteiles

Fragesteller Nummer 1

Fragebeantwortung

Und ein weiterer Fragesteller

Nach einer Pause ging es mit dem Mobilitätskonzept weiter, das von Johannes Seichter vorgestellt wurde

Danach folgten insgesamt 8 Best-Practice-Beispiele, hier stellt der Erler Bürgermeister Georg Aicher-Hechenberger die Grundwasser-Wärmesiedlung Erl vor

Info-Stehtisch mit Andreas Kleboth zum Sonnendorf Schwoich

Info-Stehtisch mit Edi Ruetz zur Grundwasser-Wärmesiedlung Stans

Gespräche zum Theme Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften mit Christian Wolbring